11 km
300 hm
öffi (1h)
leicht
Stadtnahe Vormittagswanderung in die Vergangenheit an der Nordgrenze des Wiener Gemeindegebiets.
Das Wetter ist mittelprächtig und am Nachmittag bin ich bereits verplant. Da bietet sich eine schnelle Runde auf einem der zwölf offiziellen Stadtwanderwege an. Diese Wege sind hervorragend markiert, zumeist gut ausgebaut und führen durch die unterschiedlichsten Gegenden Wiens. Von den Einkaufsstraßen Favoritens, über flaches Heidegebiet zu den Ausläufern des Wienerwalds gestalten sich die verschiedenen Wege äußerst abwechslungsreich. Da sich die Nummer Fünf (Bisamberg) im Grunde mit 23einem weiteren Routenvorschlag aus dem historisch recht interessanten Wanderführer Wege in die Vergangenheit von Martin Burger deckt, würde ich diese Gelegenheit gerne nutzen, um diese beiden Wege miteinander zu verbinden und damit gleich zwei Hakerl auf meiner imaginären Checkliste abzuarbeiten.
Wie alle Stadtwanderwege ist auch dieser durchgehend mit gut erkennbaren, überdimensionierten Holzschildern gekennzeichnet, was die Orientierung doch sehr erleichtert. Deshalb eignen sich viele der Routen auch gut als Laufstrecke, oder auch zum gedankenverlorenen Schlendern, da man die nächste Abzweigung meist schon gut im Voraus erkennen kann und nicht bei jeder Kreuzung die Karte oder “normale” Hinweisschilder zu Rate ziehen muss.
Von den Markierungen geleitet bewegen wir uns schnellen Schrittes entlang der extrem trostlosen Flandorfer Straße nach Westen. Die aufgesprungene und nach ein paar hundert Metern gehsteiglose Asphaltspur ist sicher nicht das Highligt dieses Ausflugs, man sollte sich aber nicht zuviel davon beirren lassen, denn nachdem der Weg nach Norden abgebogen und am “Hauptplatz” und der Pfarrkirche von Stammersdorf vorbeigezogen ist, wird es schnell lieblicher. An unzähligen schön erhaltenen Weinkellern folgen wir der Neusatzgasse ins Grüne der umliegenden Weinberge. Eine Besonderheit dieser Kellergassen ist der interessante Aufbau des fahrbaren Untergrunds. Die Straßen sind hier gepflastert und zudem auf der Seite hochgezogen. So wird bei starken Regenfällen aus dem Verkehrsweg auch gleich eine Ablaufrinne, auf der das Wasser geordnet in Richtung der großen Sickerbecken am Ortsrand abfließen kann.
Wir passieren eine Vielzahl an kleinen Weinkellern links und rechts der Straße. Am oberen Ende dieser wortwörtlichen Fahrrinnen gelangen wir zum großen Ausflugsparkplatz an der Senderstraße. Bevor wir dieser weiter nach Westen folgen, können wir auch noch bei einem für Nicht-Österreicher etwas kuriosen Verkaufsstand ein/e Souvenir/Wanderjause erstehen. Hier verkauft nämlich ein ansässiger Weinbauer seine Bio-Tropfen in einem klassischen Verkaufsautomaten.
Die Senderstraße führt direkt hinauf zum Magdalenenhof, der Stadtwanderweg macht jedoch von der Straße wegführend einen weiten Bogen nach links, um dann von der anderen Seite direkt am namensgebenden Jagdschloß wieder auf die ursprüngliche Straße zu treffen. Der Umweg ist zwar -nonaned- etwas länger, belohnt uns dafür aber mit einem herrlichen Panorama der (heute leider etwas diesigen) Donaumetropole. Zudem können wir so einen Blick auf die Reste der nicht sehr schönen, aber durchaus beeindruckenden Sendestation Bisamberg riskieren, welche durch Sprengung der beiden Masten im Jahr 2010 endgültig stillgelegt wurde.
Wir schreiten am Schloß vorbei nach links und dann noch einmal gemächlich ansteigend nach oben. An der Kreuzung beim Eichendorff-Denkmal auf circa 330 Metern Seehöhe haben wir dann den höchsten Punkt der Wanderung erreicht. Die vielen Bänke und Liegestühle entlang des nach Nordosten führenden Kalluswegs laden zu einer Rast ein und erlauben wiederum nette Ausblicke auf die Wiener Skyline (wenn man sie so nennen möchte). Wer es etwas eiliger hat folgt dem gut befestigten Weg weiter am Waldrand entlang, bis dieser unmittelbar vor der Landesgrenze einen etwas seltsamen Schlenker in die Landschaft zeichnet. Der Weg dreht nun nach Osten und führt uns mäßig steil nach unten in offeneres Gelände. Nach rund einem Kilometer treffen wir wieder auf die Stammersdorfer Kellergasse, welche wir schon beim Weinautomaten bei der Senderstraße überquert haben. Der Nomen ist hier eindeutig kein Omen, es handelt sich hier eben nicht um eine weinselige Seitengasse, sondern eine ausgewachsene Landstraße mit entstprechendem Verkehr, weshalb vor allem mit Kindern etwas Vorsicht beim Übersetzen angebracht ist. Der offizielle Weg verläuft ein paar Meter weiter links am Waldrand entlang und umrundet dann das sogenannte Herrenholz, um beim Luckenholz nach Süden Richtung Stammersdorf zurückzuführen.
Meine Motivation für diesen Ausflug ist aber eine ganz andere. An der Nordgrenze Wiens wurden 1866 während des Preußisch-Österreichischen Krieges eine Vielzahl an Befestigungsanlagen an den Ausläufern des Bisabergs errichtet, welche zwar mit 260 Geschützen und 5.000 Mann besetzt wurden, schlußendlich jedoch nie zum Einsatz kamen. Insgesamt 31 Schanzen wurden dabei (auch von Frauen und Kindern) aufgeworfen und einige davon kann man auch heute noch gut besichtigen. So verlasse ich den am Waldrand verlaufenden Mitterhaidenweg gut hundert Meter nach der Landstraße und folge dem Wiesenpfad nach Nordosten. Die erste Schanze (IX) die wir passieren versteckt sich etwas unscheinbar unter Bewuchs und einem Strommasten, erst von der anderen Seite lässt die leicht erhöhte Position ihren militärischen Nutzen erahnen. Der Pfad führt über offene Felder weiter zur Schanze X, in deren Mitte sich zudem eine Betonruine aus dem zweiten Weltkrieg befindet, welche leider offenkundigerweise des öfteren für Parties verwendet wird. Zumindest liegt ein Müllsack in einer Ecke des langgezogenen Gebäudes, Greenevent wird daraus aber sicher auch keines werden. Etwas weiter östlich gilt es noch die Schanze XI, südlich davon dann die Schanze XII zu erkunden. Wer sich hier allzuviel erwartet wird natürlich enttäuscht werden, es stehen natürlich keine alten Kanonen mehr herum und Spuren der Besatzung findet man natürlich (zumindest oberflächlich) keine mehr mehr. Die Wälle und Schützengräben der Anlagen sind jedoch immer noch hervorragend ausmachbar und es finden sich noch einzelne Gebäudereste, insbesondere beim Alten Pulverturm am Ende dieses kleinen Exkurses in die Vergangenheit.
An besagtem Pulverturm trifft der halbe Rundweg auch wieder auf den Stadtwanderweg, der von hier aus schnurgerade nach Süden führt. Die Luckenholzgasse passiert die Schießstätte Stammersdorf des österreichischen Bundesheers. Hier wird naturgemäß scharf geschossen, was bei Hunden und Kindern eventuell für etwas Ungemach sorgen könnte. Die Luckenholzgasse mündet schließlich wiederum in einem Sickerteich beziehungsweise in der Clessgasse, welche links herum in einem Bogen zurück in den Ortskern von Stammersdorf führt. An der nächsten Kreuzung rechts und am Freiheitslatz wieder links und man findet sich auf der Stammersdorfer Straße wieder, welcher wir ein Stück folgen und die uns dann in einer etwas unspannenden rechts-links Kombination zurück zur Straßenbahnhaltestelle befördert.